07.05.2021
1989
Männer und Frauen hakten sich unter... Ein Beitrag von Barbara Hackenschmidt
Als Jugendliche hat mich der Mut von Martin Luther sehr bewegt und er wurde ein Vorbild für mich und „Ein feste Burg ist unser Gott“ ein wichtiger Leitsatz. Seine unerschütterliche Haltung, in Worms zu seinen Überzeugungen zu stehen, ist bis heute eine grundlegende Voraussetzung für mein Leben. Ich hatte auch solche Momente, in denen ich mein Handeln abwägen musste. Wie am 16. Oktober 1989: Meine Mutter war krank und ich bin zu ihr gefahren und habe ihr mitgeteilt: „Ich muss nach Leipzig zur Montagsdemonstration fahren!“ und sie meinte: „Mach es bitte nicht, denk daran, wie es uns am 17. Juni 1953 ergangen ist und du hast dazu noch 3 Kinder, denk bitte vor allem an sie.“ Doch ich musste ihr sagen, gerade wegen und für meine Kinder muss ich nach Leipzig! Nur wenn immer mehr Menschen sich zu den Demonstrationen versammeln, wird sich in der DDR etwas ändern. Ohne meinen Mann oder andere Personen zu informieren, bin ich nach Leipzig gefahren und war überwältigt von den vielen Teilnehmern, die sich vor und um die Nikolaikirche versammelt hatten. Eine große schweigende Menschenmenge (100.000 – 120.000 Bürgerinnen und Bürger) eng aneinander stehend. Als der Gottesdienst in der Kirche zu Ende war, die Türen aufgingen und sich die Männer und Frauen unterhakten und langsam losgingen – ein Erlebnis, das noch heute in mir nachklingt! So bin ich noch immer dankbar für meinen „Luther-Moment“ 1989, der dann auch die politische Wende eingeläutet hat.
Barbara Hackenschmidt, Geschäftsführerin der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Brandenburg