20.10.2021
Wir brauchen ein Gegenüber
Stellen Sie sich vor, Sie sind im Urlaub in Deutschland mit einem Zelt unterwegs. Es wird Abend. Sie finden einen Platz in schöner Lage und mit herrlicher Aussicht. Sie wollen Ihr Zelt aufbauen und den Abend mit einem Lagerfeuer genießen. Doch Gesetze verbieten eben das.
Gesetze umgeben unser ganzes Leben. Vielleicht hat das mit der Sehnsucht zu tun, dass alles im Leben genau geregelt sich muss.
Gesetze und Ordnungen machen unsere Welt überschaubar und bringen Ordnung in unser Leben. Sie regeln den Alltag und sind so wie ein Geländer, das uns hilft, aufrecht zu gehen. Zugleich aber haben Gesetze und Ordnungen eine fatale Eigenschaft. Sie führen ein Eigenleben und verselbständigen sich. Sie wollen Entscheidungen bestimmen und Einfluss haben auf Wertungen und Gefühle. Damit verhindern sie Leben.
Die Sehnsucht nach Freiheit, nach aufrechtem Gang, nach Vertrauen und selbstbestimmten Leben ist jedoch nicht zu unterdrücken. Ohne Vertrauen und damit ohne Sicherheit können Menschen nicht leben. Wie kann man frei werden, um zu einem eigenen und erfüllten Leben zu gelangen?
Gerecht und frei zu sein, das kann kein Mensch, nur weil er es für sich beschließt und es auch so will. Deshalb brauchen wir ein Gegenüber, das uns zu dieser Freiheit verhilft. Wir brauchen ein Gegenüber, das nicht nach der Erfüllung der Ordnungen und Gesetze fragt, sondern vielmehr Ja zu den Menschen sagt und ihnen nichts nachträgt. Wir brauchen ein Gegenüber, das uns vertraut und dem wir vertrauen können. Gott ist ein solches Gegenüber, und der Glaube an ihn beseelt und schafft neue Lebensräume.
Eben das ist es, was Martin Luther für sich erfahren hat. Diese Erfahrung war der Auslöser für die Reformation, an die wir am 31. Oktober erinnert werden. Grundlage für Martin Luther waren Sätze aus der Bibel: „Die Leistungen, die einer aufgrund des Gesetzes vollbracht hat, zählen bei Gott nicht. Gott nimmt einen Menschen an, wenn er sich auf Jesus Christus verlässt“ Aufgrund dieser Erfahrung ist Freiheit und Selbstbewusstsein möglich. Martin Luther hat diese Erkenntnis zur Grundlage der aus der Reformation entstehenden Kirche gemacht. Ich wünsche Ihnen einen von dem Drang nach Freiheit geprägten Reformationstag.
Superintendent Thomas Köhler, Lübben
Rechte am Bild: Kirchenkreis Niederlausitz