08.09.2020
"Übrigens..."
Nicht alles im Griff
Geruch der schon gepflügten Erde, Stolpern auf dem Stoppelfeld, Rascheln der trockenen Blätter auf dem Maisfeld, so tastet, hört und riecht Dankbarkeit. Bei aller Anstrengung, Planung und Kunstfertigkeit, warten Erfolg und Enttäuschung erst einmal bis zur Ernte ab, was sie uns geben wollen. Alle Kulturen kennen Erntefeste. Deren Sinn es immer ist, eigene Anstrengung und eigenes Können mit dem Wissen um unsere Abhängigkeit vom Unkontrollierbaren zu vermitteln. Erntedank geht es darum, realistisch unsere Fähigkeiten und Grenzen wahrzunehmen. Jesus spricht vom Suchen und vom Anklopfen; das heißt auch Anstrengung, Geduld und Ausdauer. Aber es ist auch klar: Mehr Anklopfen bringt nicht mehr Türöffnen. Mit dem Bitten und Danken haben Christen bewältigt, dass sich unsere Arbeit nicht einfach in Ergebnisse umsetzt. Danken und Bitten heißt, dass wir realistisch anerkennen: Nicht alles ist unter unserer Kontrolle: Ohne Gott und Sonnenschein fahr’n wir keine Ernte ein. Wenn jetzt im Spätsommer die Tage schon kürzer werden und die sonnigen Tage weniger, dann fangen wir an den Erfolg des Sommers zu überschlagen. Nach dem Corona-Sommer sieht das Ergebnis für viele traurig aus; manch einer kommt in Existenznöte, nur wenige haben profitiert. Vielleicht ist in unserer Zeit das die größte Herausforderung der Coronakrise, dass wir wieder neu verstehen müssen: Wir haben nicht einfach alles im Griff. Bitten und Danken ermöglichen, Illusionen fahren zu lassen und der Realität in die Augen zu sehen.
Frank Bahr, Pfarrer im Kirchenkreis Niederlausitz