25.06.2021
Gleichberechtigt miteinander reden

Superintendent Enders über den Moment, wenn das Fass voll ist..

Es gibt so Gremien oder Treffen, da sitz man drin und schweigt. Es reden „die großen Brüder“. Alles klingt klug und tief theologisch. Da kann man ja nur ehrfürchtig zuhören. Irgendwann hat man dann den Faden verloren und die Stimmen werden leiser, werden zu einer Art Singsang, der sich sanft unter das Bild des mit ordentlich in Falten gelegter Stirn Vortragenden legt.

Ich kann mich noch genau an den Abend erinnern, wo es mir Zuviel wurde. Ich hatte einen alten Pfarrer-Freund eingeladen: erfahren, wortgewandt, ständig voll neuer Ideen, Bundesverdienstkreuzträger, Feuerkopf, alleinstehend und anstrengend. Nachdem ich zwei volle Stunden zugehört habe, merkte ich ziemlich deutlich, dass nun das Fass voll war. Das fiel mir ohne Groll auf, eher mit Neugier und einer gewissen Vorfreude. Aber eben auch mit Gewissheit. Beim nächsten Treffen bin ich „dem großen Bruder“ dann einfach ins Wort gefallen. Und, o Wunder: es war kein Problem! Mein Gegenüber fühlte sich in keiner Weise beleidigt. Vielleicht kurz irritiert, aber das wars. Damit hatte ich nicht gerechnet und plötzlich hatte ich ein Problem. Der, der unterbricht muss natürlich auch einen neuen Akzent setzen. Meine Energie war mit dem Unterbrechen gänzlich aufgebraucht. Ich erinnere mich nicht mehr so genau. Ich warf dann wohl doch irgendwie ein mir geläufiges Thema in den Ring. Und plötzlich ging es darum: um mein Thema, wo ich mitreden konnte. Gleichberechtigt mitreden zu können ist schön. Das tut auch den Vielrednern gut.

Ich stelle mir Martin Luther in Worms vor. Im Grunde steht er ja auch in einer Runde von „großen Brüdern“. Luther hat sein Thema gesetzt und war damit mitten drin im Gespräch. Warum sollte er kleiner sein als Kardinäle oder Kaiser? In der Bibel konnte er davon auf jeden Fall nichts finden. Das reichte ihm. Recht so.